Donnerstag, 12. Oktober 2017

Live-Review: Grave Pleasures im Zoom Club Frankfurt

In letzter Zeit habe ich mich ein wenig übersättigt gefühlt - eine lange Festival-Saison im Sommer und viele kleine Shows, die in den letzten Wochen stattfanden, hatten mir beinahe die Begeisterung für Konzerte genommen. Klar, Bands auf der Bühne zu erleben, ist so oder so mein Lieblingszeitvertreib, aber ich habe bemerkt, dass mich in letzter Zeit keine Band so richtig fesseln konnte. Ich stand einfach nur noch vor der Bühne, hab vielleicht noch sanft mitgewippt und spätestens nach 20 Minuten angefangen mich gelangweilt für eine Kippe nach draußen zu begeben. Gestern allerdings kehrte das Feuer zurück. Ich konnte nicht ruhig stehen bleiben, schwang die Matte und begab mich freiwillig in die erste Reihe. Zu verdanken habe ich diesen Sinneswandel den GRAVE PLEASURES
Mat McNerney (Foto: Adrian)
Die Finnen sind aus den Überresten von BEASTMILK hervorgegangen und spielen eine flotte Mischung aus Post-Punk und Deathrock, die von einigen Magazinen und Szene-Kennern wie Fenriz schwer gefeiert wird. Da mir aber oftmals das, was den Kritikern gefällt, so gar nicht zusagt, war ich skeptisch und habe die Band links liegen gelassen (auch wenn ich BEASTMILK an sich bereits sehr mochte). Nachdem ich allerdings gesehen habe, dass die Nordosteuropäer im Frankfurter Zoom Club spielen (was für mich ein Katzensprung von der Arbeit aus ist), habe ich doch mal in die beiden bisherigen Alben reingehört und wurde vor allem vom aktuellen Dreher  "Motherblood" völlig überrascht. Hier gibt es alle meine Lieblingszutaten in einem veredelten Destillat vereint. Eingängige Melodien, treibende Rhythmen, düstere Atmosphären und eine im Ohr kleben bleibende Stimme, machen diese Grabbeigaben unwiderstehlich. Das allerbeste ist jedoch, dass
Grave Pleasures (Foto: Adrian)
diese Kombination auf der Bühne noch besser funktioniert. Die arsch-coolen Musiker um Sänger Mat McNerney kommen ohne Vorband ganz in Schwarz auf die Bühne und funktionieren auf Anhieb. Die Opener 'Infatuation Overkill' und 'Doomsday Rainbows' (die in dieser Reihenfolge auch das neue Album eröffnen) heizen ordentlich ein und sorgen dafür, dass eine gute Stimmung bei den anwesenden Gästen von Anfang vorhanden ist. Insgesamt werden 14 Nummern gezockt (plus zwei Zugaben), was eine Spielzeit von etwa 70 bis 80 Minuten ergibt. So genau kann ich das gar nicht sagen, denn die Zeit vergeht wie im Flug und auf die Uhr habe ich auch nicht geschaut. Heute ist mir alles andere egal, denn hier passt einfach alles: die Atmosphäre, der Club, die Besucher und die Band - alles zusammen ergibt eine elektrisierende Mischung und auch Dinge, die mich eigentlich am Zoom Club stören, tragen heute zum Erfolg des Abends bei. So brauche ich gar keine Vorband bei den GRAVE PLEASURES, mag den direkten Kontakt zu den Musikern und freue mich auch über die intime Zuschaueranzahl (von unter 100 Personen). Letzteres ist zwar ärgerlich für Musiker und Veranstalter, aber zum einen waren die Finnen erst im Juni in Frankfurt gewesen (
zusammen mit KILLING JOKE) und zum anderen wurde der Konzertabend nur spärlich beworben - ich selbst habe auch nur durch Mundpropaganda davon gehört. 
Erfreulich ist wiederum die Setlist, die prall-gefüllt ist tollen Songs vom Erstling "Dreamcrash" wie 'New Hip Moon' oder 'Crying Wolves' und natürlich mit Wellenbrechern vom neuen Silberling "Motherblood" aufwartet, der mit 'Joy Through Death'  einen mächtigen Überhit enthält. Das scheint der Kapelle auch selbst klar zu sein, denn mit diesem Titel beendet man den offiziellen Teil des Sets. Die größte Begeisterung rufen bei der anwesenden Menge aber vor allem BEASTMILK-Songs wie 'You Are Now Under Our Control' oder 'Death Reflects Us' aus. Ich weiß auch gar nicht, was ich noch groß zu diesem Abend erzählen soll - schaut euch GRAVE PLEASURES selbst an, wenn ihr die Chance bekommt, und überzeugt euch von der Qualität ihrer Hymnen. Natürlich muss man generell ein offenes Ohr für den 80s-Wave-Sound haben und auch Post Punk nicht völlig abgeneigt sein, aber nicht ohne Grund verfallen auch sehr viele Extreme-Metaller dem Klang dieses Fünfers, der wie in meinem Fall die jugendliche Begeisterung für Musik zurückbringen kann, die speziell mir zuletzt ein wenig abhanden gekommen war. 

[Adrian]

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